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Montag, 28. Mai 2007
Wissenschaftliche Publikationen
„Publish or perish“, wer nicht publiziert ist aus dem Rennen, oder kommt erst gar nicht hinein. Generell ist die Publikation in einer wichtigen, hochbewerteten Zeitschrift am wertvollsten. Kriterium für den Wert der Zeitschrift ist dabei der so genannte „Impact-Factor“ (IF), ein Wert zwischen 0 und vielleicht 50 im medizinischen Bereich. Dieser Wert berechnet sich aus der Anzahl der Zitierungen von Artikeln der jeweiligen Zeitschrift in anderen (oder der gleichen) Zeitschriften während eines gewissen Zeitraums. Berechnet wird dieser vom Institute for Scientific Information (ISI) in den USA. Letztlich wertet dieses etwa 30 Millionen Zitate pro Jahr aus, der IF berechnet sich dabei aus der Anzahl der Zitate durch die Anzahl der Artikel in der Zeitschrift im Untersuchungszeitraum. Das ISI legt auch fest, welche Zeitschriften überhaupt zu den etwa 6000 gelisteten gehören und zum Beispiel in wichtigen Literaturarchiven wie den „PubMed“, ebenfalls aus den USA, abgerufen werden können. Damit ist sofort klar, daß deutschsprachige Zeitschriften von vornherein chancenlos oder schlecht bewertet sind, und Fachzeitschriften kleiner klinischer Fächer im Gegensatz zu den großen Fächern, vor allem der Inneren Medizin, deutlich schlechter abschneiden. Neben dem vom Grundsatz her damit angelegten Standortnachteil der deutschsprachigen Wissenschaft bedeutet dies den Verzicht auf eine Publikation in der Heimatsprache und die direkte Publikation in Englisch. Nicht wenige deutsche Zeitschriften sind deshalb nur in Englisch erhältlich oder müssen sich mit einen niedrigen Impact-Factor begnügen, der ihnen wiederum die qualitativ guten Arbeiten vorenthält. Typischerweise wird der optimistische Forscher seine Arbeit bei einer sehr hoch bewerteten Fachzeitschrift einreichen. Sollte diese in den USA sein, hatte es sich vor der Ära der elektronischen Manuskripteinreichung bewährt, diese direkt auf Papier des amerikanischen Letter-Formates abzusenden, da ansonsten die unabhängigen Fachgutachter der Zeitschrift, die meist zu zweit oder zu dritt in anonymisierter Form um Evaluation gebeten werden, diese sofort nach Erkennen des DinA4-Formates mehr als kritisch beurteilt hätten. Natürlich ist das Überarbeiten der hoffnungsvollen Publikation durch einen nativsprachlichen englischen Mediziner sinnvoll. Glück, wer einen kennt. Wird die Arbeit abgelehnt, dann sendet man sie an eine mindergut bewertete Zeitschrift, bis sich irgendwann und irgendwo (teilweise nach Jahren) eine Zeitschrift zur Publikation bereit findet. Meist sind umfangreiche Korrekturen notwendig, die man aber gerne macht.
Um die Habilitation einreichen zu können, sind typischerweise etwa 5-8 Arbeiten als Erstautor und noch einmal so viele als Mitautor notwendig. Für die wissenschaftliche Karriere ist es von Vorteil möglichst viele Publikationen zu haben. Ist man an der Spitze der Pyramide angekommen, fördert es das Prestige viel zu publizieren. Glücklicherweise trägt jede Arbeit meist mehr als einen Namen. Es sollte zwar eine gewisse Proportionalität zwischen Wertigkeit der Arbeit und Zahl der Autoren bestehen, es gibt aber immer wieder auch triviale Falldarstellungen mit 5 und mehr Autoren.
In der Regel wird dabei der wichtige Erstautor jener sein, der die Arbeit tatsächlich geschrieben hat. Ausnahmen sind dabei Gefälligkeitszuarbeiten z.B. für den Leitenden Oberarzt zur Erlangung anderer Vorteile oder Auftragsarbeiten für den Chefarzt und Ordinarius. Zweitwichtigster Autor ist der Letztautor. Typischerweise ist dies der Leiter des Labors oder der Chefarzt und Ordinarius der Klinik der mit der eigentlichen Arbeit meist nichts zu tun hat, sie oft nicht einmal kennt. Dieses tradierte Vorrecht wird jedoch verständlicherweise mit den Zähnen verteidigt und etwaige Zuwiderhandlungen mit ernsthaften Sanktionen bestraft. Zwischen Erst- und Letztautor steht eine undefinierte Anzahl von Mitautoren. Natürlich jene, die tatsächlich zur Arbeit beigetragen haben, aber natürlich auch andere, die die identische Gefälligkeit umgekehrt erweisen.
Mitnichten verpönt sind dabei Doppelpublikationen. Das heißt die gleiche Arbeit wird in unterschiedlichen Zeitschriften mehrfach publiziert. Dies kann günstigerweise z.B. in zwei oder mehr Sprachen erfolgen, oder auch in Zeitschriften unterschiedlichen Spektrums, z.B. einer Zeitschrift die sich mit Bildgebung beschäftigt und einer anderen klinisch orientierten. Dieses Vorgehen ist eigentlich unerwünscht und wird vielfach bestraft, einige kleinere Zeitschriften sind jedoch froh, wenn Sie überhaupt Publikationen erhalten. Natürlich sollte der Autor darauf achten, den Titel abzuwandeln, damit nicht im eigenen Literaturverzeichnis die Doppelpublikation sofort offenkundig wird. Da dieses Vorgehen durch zunehmende Vernetzung glücklicherweise immer stärker auffällig wird, tritt eine andere Form der Mehrfachpublikation in den Vordergrund. Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Forschungsprojektes werden in kleine und kleinste Häppchen geteilt und ohne Risiko einer ehrenrührigen Doppelpublikation mehrfach publiziert.
Wichtig sind ebenfalls Vorträge bei großen Kongressen, vor allen solche, die diese in Form von Abstracts hinterher auch in großen Zeitschriften publizieren. Kongresse sind insgesamt eine wesentliche Notwendigkeit im System der Hochschulmedizin. Man unterscheidet dabei die großen meist jährlichen Fachkongresse der einzelnen Fächer in Deutschland, die europäischen und internationalen Fachkongresse sowie eine Unzahl von kleinen entweder örtlich begrenzter Veranstaltungen („Niederrheinische Expertentagung für..“) oder Spezialgebietsbezogenen Veranstaltungen. Da die Ausrichtung der Kongresse sehr ehrenvoll ist, die wichtigsten Teilnehmer entweder bezahlt, oder zumindest eingeladen werden und viele andere ihre Reisekosten den Kliniketat entnehmen können, ist die Anzahl der Kongresse traditionell sehr hoch. Da aber gerade die etwas aufwendigeren Kongresse auch erhebliche Kosten verursachen, die nicht alleine von den „einfachen“ Teilnehmern oder den normalen Referenten getragen werden können, können Kongresse nur mit Unterstützung der Industrie stattfinden. Da die Medizinprodukthersteller aus einer Reihe von Gründen in den letzten Jahren zunehmend weniger Gelder für die Repräsentation aufwenden und damit zur Unterstützung dieser Kongresse zur Verfügung stellen können, nimmt die Zahl der Veranstaltungen glücklicherweise ab. Zusätzlich scheint sich ein Trend hin zu den spezialisierten Kongressen zu entwickeln, da nur dort das jeweilige Spezialgebiet wirklich auch in der notwendigen Breite dargestellt werden kann. Viele Spezialisten sehen es auch nicht mehr ein, die großen Kongresse, an denen sie oft nur wenige Stunden für ihr Spezialgebiet teilnehmen, durch ihre Tagungsgebühr für den gesamten Kongresszeitraum zu finanzieren. Bei vielen Veranstaltungen entspricht oft die Zuhörerzahl im Raum der Zahl an Referenten der betreffenden Sitzung. Trotz allem reichen die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht aus, die Redezeit bei all diesen Kongressen zu füllen. Deshalb ist es allgemein üblich, Vorträge mehrfach zu halten. Eine mögliche und nicht untypische Vortragskarriere wäre z.B.: Ostdeutscher Fachkongress, Westdeutscher Fachkongress, Deutscher Fachkongress, Europäischer Fachkongress, Internationaler Fachkongress, Deutscher Spezialistenkongress, Europäischer Spezialistenkongress, Internationaler Spezialistenkongress....... Manche Vorträge können die interessierten Fachkollegen, die sich ja zwangsläufig immer wieder treffen, mittlerweile auswendig. Diese Unsitte wird mit dem immer gleichem Argument der unterschiedlichen Zuhörerschaft verteidigt, ist jedoch nur möglich, da die Referenten möglichst viele Vortragspublikationen nachweisen müssen und die Kongressveranstalter „ihren“ Kongress am Leben erhalten möchten. Sinkt die Teilnehmerzahl sinkt das Interesse der Aussteller und damit die finanziellen Grundlage die Kongresse erst möglich machen.
Neben Vorträgen auf Kongressen gibt es die Möglichkeit hier Poster auszustellen. Poster bieten für den Kongressveranstalter den großen Vorteil, daß er die Autoren als Teilnehmer des Kongresses zum einen zahlenmäßig aufführen kann, zum anderen jedoch auch real Tagungsgebühren erhält. Durch das vergleichsweise einfache Schaffen einer Posteraustellungsfläche läßt sich somit Prestige und Budget des Kongresses mehren. Leider zählen Poster trotz ihres oft erheblichen Produktionsaufwandes nicht zu den „harten“ Publikationen. Obwohl es immer wieder einige renommierte Wissenschaftler gibt, die sich die Mühe machen auch ein Poster auszustellen, findet man auf vielen Kongressen oft leere Stellwände. Die Poster wurden vom Veranstalter angenommen, die Annahme von den Autoren bestätigt und damit das Ziel der Publikation nachweisbar erreicht. Auf die Mühe das Poster dann tatsächlich anzufertigen oder gar vorzustellen wird gerne verzichtet. Eine Bestrafung ist nicht zu befürchten, da die Kongressveranstalter auf zukünftige Einsendungen der Autoren angewiesen sind.
So wird zum Wohl aller Beteiligten eine ungeheure Vielzahl an oft sehr spärlicher Information auf vielfältigen Weg publiziert. Alles was gesprochen wird findet sich in mehr oder weniger hohen Prozentsatz einige Zeit später wieder in gedruckter Form auf dem Markt. Einige Kollegen haben das Verfahren so perfektioniert, daß die gedruckten Arbeiten oft schon vor den Kongressvorträgen publiziert sind. Beliebt sind zudem Monographien, also Bücher, die oft mit anderen Autoren zusammen geschrieben und mit dem finanziellen Mitteln interessierter Firmen in Kleinauflagen verlegt, manchmal sogar den gar nicht interessierten Fachpublikum ungefragt zugesandt werden.
Ziel der Autoren ist die Verlängerung der eigenen Publikationsliste als Beleg ihrer wissenschaftlichen Arbeit und Erfolge. Ziel der Fachverlage ist Umsatz, Positionierung oder zumindest Erhalt der Zeitschriften, Ziel der Kongressveranstalter ist Prestige, Ziel der Medizinprodukthersteller ist der Werbeeffekt oder die Marktführerschaft bei Meinungsbildnern. Bezahlt wird das System von der Industrie aber zum großen Teil leider auch von den Bibliotheken mit immer höheren Zeitschriftenpreisen und nicht zuletzt von den Kongressbesuchern mit zum Teil unsinnig hohen Teilnahmegebühren (die ja glücklicherweise oft aus dem Etat des Institutes oder der Klinik und damit aus Steuergeldern refinanziert werden). Es ist manchmal schon etwas beschämend, wenn man zur Vorstellung der eigenen Forschungsergebnisse nicht nur die Reisekosten sondern auch enorme Teilnahmegebühren bei solchen Veranstaltungen aus der Familienkasse finanzieren muß um dann zu sehen, wie damit Meinungsbildner und Freunde des Organisators durch Einladungen mit FirstClass-Flug, 5-Sterne Hotel etc. subventioniert werden.
Aber ungeachtet aller Schmähungen „Publish or perish“ gilt und ist per se auch nicht negativ. Spätestens nach Erreichen einer gewissen Stufe der Karriere nehmen die Vorteile in Form von zufallenden Mitautorenschaften und eigenen Kongresseinladungen ja auch entsprechend zu.
Um die Habilitation einreichen zu können, sind typischerweise etwa 5-8 Arbeiten als Erstautor und noch einmal so viele als Mitautor notwendig. Für die wissenschaftliche Karriere ist es von Vorteil möglichst viele Publikationen zu haben. Ist man an der Spitze der Pyramide angekommen, fördert es das Prestige viel zu publizieren. Glücklicherweise trägt jede Arbeit meist mehr als einen Namen. Es sollte zwar eine gewisse Proportionalität zwischen Wertigkeit der Arbeit und Zahl der Autoren bestehen, es gibt aber immer wieder auch triviale Falldarstellungen mit 5 und mehr Autoren.
In der Regel wird dabei der wichtige Erstautor jener sein, der die Arbeit tatsächlich geschrieben hat. Ausnahmen sind dabei Gefälligkeitszuarbeiten z.B. für den Leitenden Oberarzt zur Erlangung anderer Vorteile oder Auftragsarbeiten für den Chefarzt und Ordinarius. Zweitwichtigster Autor ist der Letztautor. Typischerweise ist dies der Leiter des Labors oder der Chefarzt und Ordinarius der Klinik der mit der eigentlichen Arbeit meist nichts zu tun hat, sie oft nicht einmal kennt. Dieses tradierte Vorrecht wird jedoch verständlicherweise mit den Zähnen verteidigt und etwaige Zuwiderhandlungen mit ernsthaften Sanktionen bestraft. Zwischen Erst- und Letztautor steht eine undefinierte Anzahl von Mitautoren. Natürlich jene, die tatsächlich zur Arbeit beigetragen haben, aber natürlich auch andere, die die identische Gefälligkeit umgekehrt erweisen.
Mitnichten verpönt sind dabei Doppelpublikationen. Das heißt die gleiche Arbeit wird in unterschiedlichen Zeitschriften mehrfach publiziert. Dies kann günstigerweise z.B. in zwei oder mehr Sprachen erfolgen, oder auch in Zeitschriften unterschiedlichen Spektrums, z.B. einer Zeitschrift die sich mit Bildgebung beschäftigt und einer anderen klinisch orientierten. Dieses Vorgehen ist eigentlich unerwünscht und wird vielfach bestraft, einige kleinere Zeitschriften sind jedoch froh, wenn Sie überhaupt Publikationen erhalten. Natürlich sollte der Autor darauf achten, den Titel abzuwandeln, damit nicht im eigenen Literaturverzeichnis die Doppelpublikation sofort offenkundig wird. Da dieses Vorgehen durch zunehmende Vernetzung glücklicherweise immer stärker auffällig wird, tritt eine andere Form der Mehrfachpublikation in den Vordergrund. Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Forschungsprojektes werden in kleine und kleinste Häppchen geteilt und ohne Risiko einer ehrenrührigen Doppelpublikation mehrfach publiziert.
Wichtig sind ebenfalls Vorträge bei großen Kongressen, vor allen solche, die diese in Form von Abstracts hinterher auch in großen Zeitschriften publizieren. Kongresse sind insgesamt eine wesentliche Notwendigkeit im System der Hochschulmedizin. Man unterscheidet dabei die großen meist jährlichen Fachkongresse der einzelnen Fächer in Deutschland, die europäischen und internationalen Fachkongresse sowie eine Unzahl von kleinen entweder örtlich begrenzter Veranstaltungen („Niederrheinische Expertentagung für..“) oder Spezialgebietsbezogenen Veranstaltungen. Da die Ausrichtung der Kongresse sehr ehrenvoll ist, die wichtigsten Teilnehmer entweder bezahlt, oder zumindest eingeladen werden und viele andere ihre Reisekosten den Kliniketat entnehmen können, ist die Anzahl der Kongresse traditionell sehr hoch. Da aber gerade die etwas aufwendigeren Kongresse auch erhebliche Kosten verursachen, die nicht alleine von den „einfachen“ Teilnehmern oder den normalen Referenten getragen werden können, können Kongresse nur mit Unterstützung der Industrie stattfinden. Da die Medizinprodukthersteller aus einer Reihe von Gründen in den letzten Jahren zunehmend weniger Gelder für die Repräsentation aufwenden und damit zur Unterstützung dieser Kongresse zur Verfügung stellen können, nimmt die Zahl der Veranstaltungen glücklicherweise ab. Zusätzlich scheint sich ein Trend hin zu den spezialisierten Kongressen zu entwickeln, da nur dort das jeweilige Spezialgebiet wirklich auch in der notwendigen Breite dargestellt werden kann. Viele Spezialisten sehen es auch nicht mehr ein, die großen Kongresse, an denen sie oft nur wenige Stunden für ihr Spezialgebiet teilnehmen, durch ihre Tagungsgebühr für den gesamten Kongresszeitraum zu finanzieren. Bei vielen Veranstaltungen entspricht oft die Zuhörerzahl im Raum der Zahl an Referenten der betreffenden Sitzung. Trotz allem reichen die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht aus, die Redezeit bei all diesen Kongressen zu füllen. Deshalb ist es allgemein üblich, Vorträge mehrfach zu halten. Eine mögliche und nicht untypische Vortragskarriere wäre z.B.: Ostdeutscher Fachkongress, Westdeutscher Fachkongress, Deutscher Fachkongress, Europäischer Fachkongress, Internationaler Fachkongress, Deutscher Spezialistenkongress, Europäischer Spezialistenkongress, Internationaler Spezialistenkongress....... Manche Vorträge können die interessierten Fachkollegen, die sich ja zwangsläufig immer wieder treffen, mittlerweile auswendig. Diese Unsitte wird mit dem immer gleichem Argument der unterschiedlichen Zuhörerschaft verteidigt, ist jedoch nur möglich, da die Referenten möglichst viele Vortragspublikationen nachweisen müssen und die Kongressveranstalter „ihren“ Kongress am Leben erhalten möchten. Sinkt die Teilnehmerzahl sinkt das Interesse der Aussteller und damit die finanziellen Grundlage die Kongresse erst möglich machen.
Neben Vorträgen auf Kongressen gibt es die Möglichkeit hier Poster auszustellen. Poster bieten für den Kongressveranstalter den großen Vorteil, daß er die Autoren als Teilnehmer des Kongresses zum einen zahlenmäßig aufführen kann, zum anderen jedoch auch real Tagungsgebühren erhält. Durch das vergleichsweise einfache Schaffen einer Posteraustellungsfläche läßt sich somit Prestige und Budget des Kongresses mehren. Leider zählen Poster trotz ihres oft erheblichen Produktionsaufwandes nicht zu den „harten“ Publikationen. Obwohl es immer wieder einige renommierte Wissenschaftler gibt, die sich die Mühe machen auch ein Poster auszustellen, findet man auf vielen Kongressen oft leere Stellwände. Die Poster wurden vom Veranstalter angenommen, die Annahme von den Autoren bestätigt und damit das Ziel der Publikation nachweisbar erreicht. Auf die Mühe das Poster dann tatsächlich anzufertigen oder gar vorzustellen wird gerne verzichtet. Eine Bestrafung ist nicht zu befürchten, da die Kongressveranstalter auf zukünftige Einsendungen der Autoren angewiesen sind.
So wird zum Wohl aller Beteiligten eine ungeheure Vielzahl an oft sehr spärlicher Information auf vielfältigen Weg publiziert. Alles was gesprochen wird findet sich in mehr oder weniger hohen Prozentsatz einige Zeit später wieder in gedruckter Form auf dem Markt. Einige Kollegen haben das Verfahren so perfektioniert, daß die gedruckten Arbeiten oft schon vor den Kongressvorträgen publiziert sind. Beliebt sind zudem Monographien, also Bücher, die oft mit anderen Autoren zusammen geschrieben und mit dem finanziellen Mitteln interessierter Firmen in Kleinauflagen verlegt, manchmal sogar den gar nicht interessierten Fachpublikum ungefragt zugesandt werden.
Ziel der Autoren ist die Verlängerung der eigenen Publikationsliste als Beleg ihrer wissenschaftlichen Arbeit und Erfolge. Ziel der Fachverlage ist Umsatz, Positionierung oder zumindest Erhalt der Zeitschriften, Ziel der Kongressveranstalter ist Prestige, Ziel der Medizinprodukthersteller ist der Werbeeffekt oder die Marktführerschaft bei Meinungsbildnern. Bezahlt wird das System von der Industrie aber zum großen Teil leider auch von den Bibliotheken mit immer höheren Zeitschriftenpreisen und nicht zuletzt von den Kongressbesuchern mit zum Teil unsinnig hohen Teilnahmegebühren (die ja glücklicherweise oft aus dem Etat des Institutes oder der Klinik und damit aus Steuergeldern refinanziert werden). Es ist manchmal schon etwas beschämend, wenn man zur Vorstellung der eigenen Forschungsergebnisse nicht nur die Reisekosten sondern auch enorme Teilnahmegebühren bei solchen Veranstaltungen aus der Familienkasse finanzieren muß um dann zu sehen, wie damit Meinungsbildner und Freunde des Organisators durch Einladungen mit FirstClass-Flug, 5-Sterne Hotel etc. subventioniert werden.
Aber ungeachtet aller Schmähungen „Publish or perish“ gilt und ist per se auch nicht negativ. Spätestens nach Erreichen einer gewissen Stufe der Karriere nehmen die Vorteile in Form von zufallenden Mitautorenschaften und eigenen Kongresseinladungen ja auch entsprechend zu.
Sonntag, 20. Mai 2007
Der Aufstieg
Nur wer das Ziel kennt, kann den Weg wissen. Dem Assistenzarzt muß klar sein, welche Position er in absehbarer Zukunft anstreben möchte. Legt er lediglich Wert auf eine Niederlassung, vielleicht noch in einen konservativen Fach, so ist falscher Ehrgeiz in der Wissenschaft oder der Lehre nur fehlinvestierte Zeit. Besser ist es, außerhalb der regulären Dienstzeiten nützliche Zusatzkurse zu absolvieren und Kontakte zu niedergelassenen Fachkollegen vor Ort zu halten. Beste Gelegenheiten sind hierzu Praxisvertetungen in denen der zwar Arzt aber noch nicht Facharzt eigenständig schon einmal die Realität des Deutschen Gesundheitssystems in der Praxis ausloten kann. Als Nebeneffekt lassen sich hier mehrere hundert Euro Honorar pro Tag zusätzlich zum laufenden Gehalt verdienen. Die Klinikchefs unterstützen diese Vertretungen, da sie den Kontakt zu den zuweisenden Kollegen aufrechterhalten und vertiefen. Da Praxisvertretungen meistens in den typischen Urlaubszeiten anfallen, müssen die Abwesendheiten der Kollegen von den sowieso dann knappen anderen Ärzten zusätzlich kompensiert werden. Die oft sehr spontanen Vertretungen wirken sich natürlich besonders negativ auf jene Kollegen aus, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, da Sie zwar durch Kompensation der Abwesendheiten anderer zur Mehrarbeit gezwungen werden, für sich jedoch nie die lukrative Praxisvertretung wahrnehmen werden.
Problematisch bleibt für jene Kollegen deren Niederlassung nach dem Erwerb des Facharztes offensichtlich ist, die Erlangung begehrter, da knapper Ressourcen der Ausbildung, wie die Erlernung bestimmter diagnostischer oder interventioneller Verfahren oder das Durchführen wesentlicher Operationen. In der Regel wird die Klinik bemüht sein, diese Tätigkeiten vornehmlich von längerfristig, also auch über den Facharzt hinaus, an das Haus gebundenen Ärzten durchführen zu lassen. Kommen neben der klar erkennbaren Absicht zur Niederlassung noch andere Faktoren, wie persönliche Abneigung der Entscheidungsträger, typischerweise des Leitenden Oberarztes, hinzu, können die Ausgangsvoraussetzungen für eine reale Durchführung der zur Facharztreife notwendigen Verfahren oder Rotationszeiten auf der Intensivstation etc. schon einmal kritisch werden. Andererseits möchte man aber gerade diese Kollegen nicht allzu lange an die Klinik binden, so daß hier Kompromisse in der realen Ausbildung oder auf dem Papier gefunden werden müssen. Die Schlüsselposition in diesem Verfahren liegt zumeist nicht bei dem am Tagesgeschäft nur funktionierend interessierten Chefarzt sondern bei dem in der pyramidalen Hierarchie direkt nachfolgenden Leitenden Oberarzt. Dieser ist für die Personalplanung und die Verteilung von Ressourcen zuständig und nutzt seine Position natürlich zur Erlangung persönlicher Vorteile. Hier läßt sich dann auch der kluge aber an Wissenschaft vielleicht nicht sonderlich interessierte Assistent zur Erzielung einer förderlichen Beziehung zur Zuarbeit bei der Gestaltung und Auswertung von Studien bis hin zur vollständigen Verfassung wissenschaftlicher Arbeiten (dann allerdings nicht unter seinen Namen als Erstautor) gewinnen. Manu manus lavat ist in einer auf sehr direkter Abhängigkeit gegründeten Arbeits- und Ausbildungsumgebung ein gängiger Begriff. Wird dieses Verhalten zwar auch schnell von den weiteren Ärzten und nichtärztlichen Mitarbeitern durchschaut, so ist es doch von nicht angreifbarer Stringenz. Die Wahrscheinlichkeit auf dem Rotations- oder OP-Plan eine attraktive Position oder einen attraktiven Eingriff zugesprochen zu erhalten steigt natürlich mit der Nähe zum Gestalter desselben. Jeden neuen Assistenten in der Klinik wird deshalb schnell klar, daß diskussionsfreudiges Verhalten, insbesondere mit gegensätzlichen Positionen zu den Entscheidungsträgern, den eigenen Fortkommen nicht dienlich ist.
Andererseits können auch jene Assistenten, die bis zum Facharzt in der Klinikhierarchie wenig beliebt waren, erstaunt einen 180°-Wechsel dieser Position bei der Ankündigung der baldigen Niederlassung im Einzugsbereich der Klinik feststellen.
Sollte die Situation allerdings eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses schon während der Ausbildung mehr als erträglich erschweren, so ist die Lage verfahren. Ein nicht durch Fachwechsel oder durch Bewerbung an eine höhereingestufte Klinik (für Assistenten an einer Universitätsklinik kein möglicher Grund) begründeter Wechselwunsch ist meist nicht realisierbar. Der neue Chef in spe würde sofort im alten Haus anrufen und dann nicht nur den Bewerber ablehnen sondern zudem die sowieso schon ungünstige Position desselben weiter erschweren. Eine Kündigung innerhalb der Facharztausbildung wird vom Chefarzt trotz Abschaffung der Leibeigenschaft in der Regel als Verrat und Sakrileg betrachtet. Hier hilft nur der bewährte Spruch aller Assistenten: „Klappe halten“. Da im Übrigen auch nach Abschluss der Facharztausbildung und Eintritt in die Niederlassung hin und wieder Bescheinigungen über dies und jenes vom alten Chef notwendig werden, empfiehlt es sich das emotionale Verhältnis auch am letzten Arbeitstag auf einer rationalen Basis beizubehalten. Die Zahl der Assistenten die Ihren Dienstfunker mit einen sehr vernehmlichen „Ich hab’ die Schnauze voll, ihr könnt mich `mal“ im Chefsekretariat abgeben, hält sich in engen Grenzen.
Schwierig wird dies, wenn das Fach zwingend einen Stellenwechsel erfordert, da z.B. für die Erlangung des Facharztes eine gewisse Zeit in einen anderen Fach notwendig ist. Hier gibt es entweder die Option diese Fremdzeit ganz zu Beginn der Karriere zu absolvieren und in der dortigen Klinik steif und fest zu behaupten man wolle ja nichts anderes machen als definitiv dort bis an das Ende aller Tage tätig zu sein, oder auf eine Stellenrotation zu einen späteren Zeitpunkt zu hoffen. Diese ist im Idealfall von der jeweiligen Klinik organisiert, was aber selten ist, da dies Kooperation über Abteilungen hinweg voraussetzt, die in der Hochschulmedizin mit ihrer oft manischen Abgrenzung nur selten vorkommt. Ziel ist es ja langfristig Mitarbeiter ohne Unterbrechung an sich zu binden. Bleibt dann nur die eigenständige Bewerbung andernorts die aber als Illoyalität aufgefasst werden kann und damit den eventuell notwendigen Weg zurück unmöglich macht.
Plant der Assistent nun eine langfristige Karriere in der Klinik, wird die Sache ungleich schwieriger. Der reguläre Aufstieg in der Diensthierarchie beginnt mit dem Titel des Oberarztes, gefolgt vom Leitenden Oberarzt und letztlich dem Chefarzttitel. Dazwischen gibt es eine Reihe von Abstufungen. Auf Assistentenebene kann dies z.B. der Titel eines „Stationsarztes“ sein. Ich kenne Fälle, in denen diese Position aus Gründen der Disziplinierung oder eines extremen „Beförderungsstaus“ sogar mit Professoren besetzt war.
Die Zahl der Oberärzte ist in der Regel begrenzt, da zum einen das Verhältnis Häuptlinge zu Indianern nicht beliebig expandierbar ist und zum anderen finanzielle Fakten, wie der zur Verfügung stehende Pool aus Mitarbeiterabgaben des Chefarztes eine Limitation des berechtigten Personenkreises aus Sicht der Oberärzte notwendig macht. Zusätzlich ist im neuen Tarifsystem tatsächlich auch eine Stelle hierfür notwendig. Da aber andererseits Urlaub und die sonstige Abwesendheiten der Oberärzte wie Kongresse, Fortbildungen, Wissenschaft etc. zur bequemen Aufrechterhaltung der Klinikfunktionen einen gewissen Mitarbeiterstab in übergeordneter Funktion notwendig machen, wird vielerorts der Funktionsoberarzt eingeführt. Letztlich ein Facharzt aus der Reihe der Assistenzärzte, der Oberarztätigkeiten, wie z.B. entsprechende Dienste versieht, jedoch nicht an den Statusvorteilen der Oberärzte partizipiert.
Zwischen den Oberärzten und dem Chefarzt steht regulär der Leitende Oberarzt und Chefarztverteter. In einigen Kliniken möchte der Chefarzt diese Position nicht direkt besetzen, da er um seine eigene Autorität fürchtet oder niemanden aus seiner Oberarztriege bevorzugen möchte. Kreative Namensgebungen wie „Personaloberarzt“, „Geschäftsführender Oberarzt“ etc. sind dann machbar.
Nun kann es auch zu Situationen kommen, in denen der Chefarzt diese Vertrauensposition mit einen vergleichsweise jungen, ihn nahe stehenden Kollegen besetzen möchte, der die mit der Position verbundene Funktion des zweithöchsten ärztlichen Entscheidungsträgers noch nicht ausfüllen kann. Oder es steht der Berufung des gewünschten Leitenden Oberarztes ein ältere Kollege entgegen, der nicht übergangen werden kann. In solchen Fällen wird die Spitze geteilt. Es gibt dann zum Beispiel einen geschäftsführenden Leitenden Oberarzt und einen Klinisch Leitenden Oberarzt. Die Semantik ist hier sehr flexibel. Es gibt Fälle, in denen der eigentliche Leitende Oberarzt klinisch so unerfahren ist, daß er einen erfahrenen Kollegen an seiner Seite benötigt, ihm jedoch aus Konkurrenzgründen nicht den Titel des klinisch Leitenden Oberarztes zubilligen möchte. In diesen Fällen ist kreative Wortschöpfung gefragt. Es gibt auch Chefärzte, die bewusst die Doppelspitze bevorzugen, da die damit erzeugt Konkurrenz die eigenen Ziele leichter erreichen läßt. Diese „Divide et impera“ Philosophie wird in den extrem hierarchisch geprägten Universitätskliniken gerne zum eigenen Machtvorteil der Klinikdirektoren eingesetzt.
An Universitätskliniken ist der Aufstieg in der Regel mit der Notwendigkeit zur wissenschaftlichen Tätigkeit verbunden. Ziel dieser wissenschaftlichen Beschäftigung ist dabei in vielen Fällen (vielleicht sogar der Mehrheit) weniger der Erkenntnisgewinn, als vielmehr die so genannte „Habilitation“ oder Lehrbefugnis, die dem Weg zum Professorentitel ebnet und mittelfristig in einer Chefarztposition mündet. Ist diese dann, meistens an einen nichtuniversitären Haus, erreicht, wird die weitere wissenschaftliche Tätigkeit sofort eingestellt. Auf diese Art und Weise werden jährlich Millionen von Forschungsgeldern und unzählige Arbeitsstunden hochmotivierter Mitarbeiter nur zur Produktion völlig nutzloser Forschungspublikationen und der Erlangung des akademischen Grades eines Privatdozenten („Priv.-Doz.“, „PD“) eingesetzt.
Letztlich wird dabei identisch zu einer Promotionsarbeit ein zweites wissenschaftliches Projekt verfolgt oder im Rahmen einer kumulativen Habilitation (die weniger gerne gesehen wird), eine Reihe von über die Jahren publizierten Arbeiten für eine Habilitationsschrift zusammengestellt. Diese wird in einen mehrstufigen Verfahren von der Fakultät im Erfolgsfall angenommen und der Titel eines „Dr. med. habil.“ vergeben. Dieser Titel berechtigt dann in einen meist sofort sich anschließenden zweiten Schritt, zum Beispiel einer Probevorlesung, zur Erlangung der Lehrbefugnis, der „Venia legendi“, die den eigentlichen Titel des Privatdozenten entspricht. Außer bei einer Ernennung auf eine Ehrenprofessur, oder in bestimmten und seltenen Ausnahmefällen, wie an künstlerischen Hochschulen oder Fachhochschulen ist dieses Voraussetzung zur Berufung auf eine reguläre Professur. Im neueren Recht wurden allerdings mittlerweile die „Juniorprofessur“ und der „Tenure track“ auch an den Universitäten eingeführt, diese spielen jedoch in der traditionell sehr konservativen Medizin bisher keine entscheidende Rolle. Ganz im Gegenteil, kann eine solche Karriereplanung, die verkürzt dargestellt, sehr viel einfacher und rascher zum Professorentitel führt, eine eher hinderliche Rolle bei Bewerbungen an Universitätskliniken sein.
Historischer Hintergrund der Einführung der Habilitation war im übrigen nicht die Heranbildung einer Elite in Wissenschaft und Lehre, sondern die Möglichkeit, von der Spitze der hierarchischen Pyramide aus, die Karriereplanung der nachgeordneten Mitarbeiter im Detail und sehr direkt beeinflussen zu können. „Am Chef vorbei habilitiert sich niemand“. Diese mehr als 100 Jahre alte Feststellung hat auch heute noch trotz formaler Möglichkeiten der Nichteinbindung des Fachordinarius in das Habilitationsverfahren an einigen Universitäten noch generelle Gültigkeit. Damit kann der Ordinarius und Chefarzt dezidiert festlegen, mit welchem wissenschaftlichen Themen sich seine Mitarbeiter befassen, wer wie schnell damit vorankommen darf und zudem stets darauf bauen, daß sein Name auf allen Publikationen der Klinik an ehrenvoller letzter Stelle erscheint, obwohl er mit den eigentlichen Arbeiten oft nicht das allergeringste zu tun hat. Die sehr beeindruckend lange Publikationsliste mancher Ordinarien ist im Wesentlichen durch dieses Verfahren begründet. Nicht zuletzt gewährt diese direkte Einflussnahme auch die Möglichkeit eigentlich unzulässige Gefälligkeitsdienstleistungen, auch und vor allem seitens der guten und erfahrenen Mitarbeiter, zu erzwingen. Nicht wenige Buchbeiträge, Publikationen als Erstautor, ehrenvolle Übersichtsarbeiten u.a. der Klinikdirektoren sind ausschließlich durch ihre Mitarbeiter entstanden, ohne daß diese auch nur erwähnt worden wären. Innerhalb der Klinik sichert sich so das geräuschlose „Zähnezusammenbeißen“ auch der Oberärzte, wenn diese zum Beispiel gebeten werden die Privatpatienten des Chefs zu versorgen und auf dem Bericht ihren Namen in die zweite Reihe zu setzen.
Wer als Assistent nun diesen Karriereweg wählen möchte, muß wissen vorauf er sich einlässt. Ist er nicht unbedingt der Favorit des Chefs oder des Leitenden Oberarztes, erhält er vielfach keine Forschungsfreistellung während der Klinikarbeitszeit. Dies bedeutet über Jahre hinweg nachts und am Wochenende im Labor oder am Schreibtisch in der Klinik zu sitzen ohne auch nur eine einzige dieser Stunden als Überstunde notieren zu können. Obwohl er regulär vielleicht als „Wissenschaftlicher Assistent“ eingestellt wurde, wird er seine normale Arbeitszeit ausschließlich in der Krankenversorgung und der bis auf wenige Vorlesungsstunden (wenn überhaupt) des Ordinarius meist zu 100% delegierten Lehre verbringen. In einigen Kliniken wird er den Besuch von Kongressen, Symposien, Kursen und sonstigen wissenschaftlichen Veranstaltungen vollständig selbst finanzieren müssen. Ziel seiner Bemühungen ist in erster Linie die Publikation von Arbeiten in möglichst angesehenen Zeitschriften, das Halten von Vorträgen bei möglichst großen und vielen Kongressen, sowie gegebenenfalls das weniger prestigeträchtige aber bei wichtigen Kongressen durchaus erstrebenswerte Publizieren eines Posters. Daneben gilt es die für die Habilitationsschrift notwendige Forschungsarbeit, die meist experimentell gefordert wird, zügig voranzubringen und die Habilitationsschrift nach Vorliegen der notwendigen Anzahl von Publikationen einzureichen.
Problematisch bleibt für jene Kollegen deren Niederlassung nach dem Erwerb des Facharztes offensichtlich ist, die Erlangung begehrter, da knapper Ressourcen der Ausbildung, wie die Erlernung bestimmter diagnostischer oder interventioneller Verfahren oder das Durchführen wesentlicher Operationen. In der Regel wird die Klinik bemüht sein, diese Tätigkeiten vornehmlich von längerfristig, also auch über den Facharzt hinaus, an das Haus gebundenen Ärzten durchführen zu lassen. Kommen neben der klar erkennbaren Absicht zur Niederlassung noch andere Faktoren, wie persönliche Abneigung der Entscheidungsträger, typischerweise des Leitenden Oberarztes, hinzu, können die Ausgangsvoraussetzungen für eine reale Durchführung der zur Facharztreife notwendigen Verfahren oder Rotationszeiten auf der Intensivstation etc. schon einmal kritisch werden. Andererseits möchte man aber gerade diese Kollegen nicht allzu lange an die Klinik binden, so daß hier Kompromisse in der realen Ausbildung oder auf dem Papier gefunden werden müssen. Die Schlüsselposition in diesem Verfahren liegt zumeist nicht bei dem am Tagesgeschäft nur funktionierend interessierten Chefarzt sondern bei dem in der pyramidalen Hierarchie direkt nachfolgenden Leitenden Oberarzt. Dieser ist für die Personalplanung und die Verteilung von Ressourcen zuständig und nutzt seine Position natürlich zur Erlangung persönlicher Vorteile. Hier läßt sich dann auch der kluge aber an Wissenschaft vielleicht nicht sonderlich interessierte Assistent zur Erzielung einer förderlichen Beziehung zur Zuarbeit bei der Gestaltung und Auswertung von Studien bis hin zur vollständigen Verfassung wissenschaftlicher Arbeiten (dann allerdings nicht unter seinen Namen als Erstautor) gewinnen. Manu manus lavat ist in einer auf sehr direkter Abhängigkeit gegründeten Arbeits- und Ausbildungsumgebung ein gängiger Begriff. Wird dieses Verhalten zwar auch schnell von den weiteren Ärzten und nichtärztlichen Mitarbeitern durchschaut, so ist es doch von nicht angreifbarer Stringenz. Die Wahrscheinlichkeit auf dem Rotations- oder OP-Plan eine attraktive Position oder einen attraktiven Eingriff zugesprochen zu erhalten steigt natürlich mit der Nähe zum Gestalter desselben. Jeden neuen Assistenten in der Klinik wird deshalb schnell klar, daß diskussionsfreudiges Verhalten, insbesondere mit gegensätzlichen Positionen zu den Entscheidungsträgern, den eigenen Fortkommen nicht dienlich ist.
Andererseits können auch jene Assistenten, die bis zum Facharzt in der Klinikhierarchie wenig beliebt waren, erstaunt einen 180°-Wechsel dieser Position bei der Ankündigung der baldigen Niederlassung im Einzugsbereich der Klinik feststellen.
Sollte die Situation allerdings eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses schon während der Ausbildung mehr als erträglich erschweren, so ist die Lage verfahren. Ein nicht durch Fachwechsel oder durch Bewerbung an eine höhereingestufte Klinik (für Assistenten an einer Universitätsklinik kein möglicher Grund) begründeter Wechselwunsch ist meist nicht realisierbar. Der neue Chef in spe würde sofort im alten Haus anrufen und dann nicht nur den Bewerber ablehnen sondern zudem die sowieso schon ungünstige Position desselben weiter erschweren. Eine Kündigung innerhalb der Facharztausbildung wird vom Chefarzt trotz Abschaffung der Leibeigenschaft in der Regel als Verrat und Sakrileg betrachtet. Hier hilft nur der bewährte Spruch aller Assistenten: „Klappe halten“. Da im Übrigen auch nach Abschluss der Facharztausbildung und Eintritt in die Niederlassung hin und wieder Bescheinigungen über dies und jenes vom alten Chef notwendig werden, empfiehlt es sich das emotionale Verhältnis auch am letzten Arbeitstag auf einer rationalen Basis beizubehalten. Die Zahl der Assistenten die Ihren Dienstfunker mit einen sehr vernehmlichen „Ich hab’ die Schnauze voll, ihr könnt mich `mal“ im Chefsekretariat abgeben, hält sich in engen Grenzen.
Schwierig wird dies, wenn das Fach zwingend einen Stellenwechsel erfordert, da z.B. für die Erlangung des Facharztes eine gewisse Zeit in einen anderen Fach notwendig ist. Hier gibt es entweder die Option diese Fremdzeit ganz zu Beginn der Karriere zu absolvieren und in der dortigen Klinik steif und fest zu behaupten man wolle ja nichts anderes machen als definitiv dort bis an das Ende aller Tage tätig zu sein, oder auf eine Stellenrotation zu einen späteren Zeitpunkt zu hoffen. Diese ist im Idealfall von der jeweiligen Klinik organisiert, was aber selten ist, da dies Kooperation über Abteilungen hinweg voraussetzt, die in der Hochschulmedizin mit ihrer oft manischen Abgrenzung nur selten vorkommt. Ziel ist es ja langfristig Mitarbeiter ohne Unterbrechung an sich zu binden. Bleibt dann nur die eigenständige Bewerbung andernorts die aber als Illoyalität aufgefasst werden kann und damit den eventuell notwendigen Weg zurück unmöglich macht.
Plant der Assistent nun eine langfristige Karriere in der Klinik, wird die Sache ungleich schwieriger. Der reguläre Aufstieg in der Diensthierarchie beginnt mit dem Titel des Oberarztes, gefolgt vom Leitenden Oberarzt und letztlich dem Chefarzttitel. Dazwischen gibt es eine Reihe von Abstufungen. Auf Assistentenebene kann dies z.B. der Titel eines „Stationsarztes“ sein. Ich kenne Fälle, in denen diese Position aus Gründen der Disziplinierung oder eines extremen „Beförderungsstaus“ sogar mit Professoren besetzt war.
Die Zahl der Oberärzte ist in der Regel begrenzt, da zum einen das Verhältnis Häuptlinge zu Indianern nicht beliebig expandierbar ist und zum anderen finanzielle Fakten, wie der zur Verfügung stehende Pool aus Mitarbeiterabgaben des Chefarztes eine Limitation des berechtigten Personenkreises aus Sicht der Oberärzte notwendig macht. Zusätzlich ist im neuen Tarifsystem tatsächlich auch eine Stelle hierfür notwendig. Da aber andererseits Urlaub und die sonstige Abwesendheiten der Oberärzte wie Kongresse, Fortbildungen, Wissenschaft etc. zur bequemen Aufrechterhaltung der Klinikfunktionen einen gewissen Mitarbeiterstab in übergeordneter Funktion notwendig machen, wird vielerorts der Funktionsoberarzt eingeführt. Letztlich ein Facharzt aus der Reihe der Assistenzärzte, der Oberarztätigkeiten, wie z.B. entsprechende Dienste versieht, jedoch nicht an den Statusvorteilen der Oberärzte partizipiert.
Zwischen den Oberärzten und dem Chefarzt steht regulär der Leitende Oberarzt und Chefarztverteter. In einigen Kliniken möchte der Chefarzt diese Position nicht direkt besetzen, da er um seine eigene Autorität fürchtet oder niemanden aus seiner Oberarztriege bevorzugen möchte. Kreative Namensgebungen wie „Personaloberarzt“, „Geschäftsführender Oberarzt“ etc. sind dann machbar.
Nun kann es auch zu Situationen kommen, in denen der Chefarzt diese Vertrauensposition mit einen vergleichsweise jungen, ihn nahe stehenden Kollegen besetzen möchte, der die mit der Position verbundene Funktion des zweithöchsten ärztlichen Entscheidungsträgers noch nicht ausfüllen kann. Oder es steht der Berufung des gewünschten Leitenden Oberarztes ein ältere Kollege entgegen, der nicht übergangen werden kann. In solchen Fällen wird die Spitze geteilt. Es gibt dann zum Beispiel einen geschäftsführenden Leitenden Oberarzt und einen Klinisch Leitenden Oberarzt. Die Semantik ist hier sehr flexibel. Es gibt Fälle, in denen der eigentliche Leitende Oberarzt klinisch so unerfahren ist, daß er einen erfahrenen Kollegen an seiner Seite benötigt, ihm jedoch aus Konkurrenzgründen nicht den Titel des klinisch Leitenden Oberarztes zubilligen möchte. In diesen Fällen ist kreative Wortschöpfung gefragt. Es gibt auch Chefärzte, die bewusst die Doppelspitze bevorzugen, da die damit erzeugt Konkurrenz die eigenen Ziele leichter erreichen läßt. Diese „Divide et impera“ Philosophie wird in den extrem hierarchisch geprägten Universitätskliniken gerne zum eigenen Machtvorteil der Klinikdirektoren eingesetzt.
An Universitätskliniken ist der Aufstieg in der Regel mit der Notwendigkeit zur wissenschaftlichen Tätigkeit verbunden. Ziel dieser wissenschaftlichen Beschäftigung ist dabei in vielen Fällen (vielleicht sogar der Mehrheit) weniger der Erkenntnisgewinn, als vielmehr die so genannte „Habilitation“ oder Lehrbefugnis, die dem Weg zum Professorentitel ebnet und mittelfristig in einer Chefarztposition mündet. Ist diese dann, meistens an einen nichtuniversitären Haus, erreicht, wird die weitere wissenschaftliche Tätigkeit sofort eingestellt. Auf diese Art und Weise werden jährlich Millionen von Forschungsgeldern und unzählige Arbeitsstunden hochmotivierter Mitarbeiter nur zur Produktion völlig nutzloser Forschungspublikationen und der Erlangung des akademischen Grades eines Privatdozenten („Priv.-Doz.“, „PD“) eingesetzt.
Letztlich wird dabei identisch zu einer Promotionsarbeit ein zweites wissenschaftliches Projekt verfolgt oder im Rahmen einer kumulativen Habilitation (die weniger gerne gesehen wird), eine Reihe von über die Jahren publizierten Arbeiten für eine Habilitationsschrift zusammengestellt. Diese wird in einen mehrstufigen Verfahren von der Fakultät im Erfolgsfall angenommen und der Titel eines „Dr. med. habil.“ vergeben. Dieser Titel berechtigt dann in einen meist sofort sich anschließenden zweiten Schritt, zum Beispiel einer Probevorlesung, zur Erlangung der Lehrbefugnis, der „Venia legendi“, die den eigentlichen Titel des Privatdozenten entspricht. Außer bei einer Ernennung auf eine Ehrenprofessur, oder in bestimmten und seltenen Ausnahmefällen, wie an künstlerischen Hochschulen oder Fachhochschulen ist dieses Voraussetzung zur Berufung auf eine reguläre Professur. Im neueren Recht wurden allerdings mittlerweile die „Juniorprofessur“ und der „Tenure track“ auch an den Universitäten eingeführt, diese spielen jedoch in der traditionell sehr konservativen Medizin bisher keine entscheidende Rolle. Ganz im Gegenteil, kann eine solche Karriereplanung, die verkürzt dargestellt, sehr viel einfacher und rascher zum Professorentitel führt, eine eher hinderliche Rolle bei Bewerbungen an Universitätskliniken sein.
Historischer Hintergrund der Einführung der Habilitation war im übrigen nicht die Heranbildung einer Elite in Wissenschaft und Lehre, sondern die Möglichkeit, von der Spitze der hierarchischen Pyramide aus, die Karriereplanung der nachgeordneten Mitarbeiter im Detail und sehr direkt beeinflussen zu können. „Am Chef vorbei habilitiert sich niemand“. Diese mehr als 100 Jahre alte Feststellung hat auch heute noch trotz formaler Möglichkeiten der Nichteinbindung des Fachordinarius in das Habilitationsverfahren an einigen Universitäten noch generelle Gültigkeit. Damit kann der Ordinarius und Chefarzt dezidiert festlegen, mit welchem wissenschaftlichen Themen sich seine Mitarbeiter befassen, wer wie schnell damit vorankommen darf und zudem stets darauf bauen, daß sein Name auf allen Publikationen der Klinik an ehrenvoller letzter Stelle erscheint, obwohl er mit den eigentlichen Arbeiten oft nicht das allergeringste zu tun hat. Die sehr beeindruckend lange Publikationsliste mancher Ordinarien ist im Wesentlichen durch dieses Verfahren begründet. Nicht zuletzt gewährt diese direkte Einflussnahme auch die Möglichkeit eigentlich unzulässige Gefälligkeitsdienstleistungen, auch und vor allem seitens der guten und erfahrenen Mitarbeiter, zu erzwingen. Nicht wenige Buchbeiträge, Publikationen als Erstautor, ehrenvolle Übersichtsarbeiten u.a. der Klinikdirektoren sind ausschließlich durch ihre Mitarbeiter entstanden, ohne daß diese auch nur erwähnt worden wären. Innerhalb der Klinik sichert sich so das geräuschlose „Zähnezusammenbeißen“ auch der Oberärzte, wenn diese zum Beispiel gebeten werden die Privatpatienten des Chefs zu versorgen und auf dem Bericht ihren Namen in die zweite Reihe zu setzen.
Wer als Assistent nun diesen Karriereweg wählen möchte, muß wissen vorauf er sich einlässt. Ist er nicht unbedingt der Favorit des Chefs oder des Leitenden Oberarztes, erhält er vielfach keine Forschungsfreistellung während der Klinikarbeitszeit. Dies bedeutet über Jahre hinweg nachts und am Wochenende im Labor oder am Schreibtisch in der Klinik zu sitzen ohne auch nur eine einzige dieser Stunden als Überstunde notieren zu können. Obwohl er regulär vielleicht als „Wissenschaftlicher Assistent“ eingestellt wurde, wird er seine normale Arbeitszeit ausschließlich in der Krankenversorgung und der bis auf wenige Vorlesungsstunden (wenn überhaupt) des Ordinarius meist zu 100% delegierten Lehre verbringen. In einigen Kliniken wird er den Besuch von Kongressen, Symposien, Kursen und sonstigen wissenschaftlichen Veranstaltungen vollständig selbst finanzieren müssen. Ziel seiner Bemühungen ist in erster Linie die Publikation von Arbeiten in möglichst angesehenen Zeitschriften, das Halten von Vorträgen bei möglichst großen und vielen Kongressen, sowie gegebenenfalls das weniger prestigeträchtige aber bei wichtigen Kongressen durchaus erstrebenswerte Publizieren eines Posters. Daneben gilt es die für die Habilitationsschrift notwendige Forschungsarbeit, die meist experimentell gefordert wird, zügig voranzubringen und die Habilitationsschrift nach Vorliegen der notwendigen Anzahl von Publikationen einzureichen.
Donnerstag, 10. Mai 2007
Der Einstieg
Das traditionelle System der Hochschulmedizin beruht in vieler Hinsicht auf nackter Ausbeutung. Ziel der etablierten Kollegen ist es, so viel praktischen Nutzen (in erster Linie pekuniären Vorteile aber auch Popularitätsgewinn, z.B durch das sich Schreiben lassen von Büchern) aus Ihren Mitarbeitern zu holen, wie nur irgend möglich. Aus diesem, und nur aus diesem Grund, ist die ärztliche Hierarchie bis heute streng pyramidal angelegt.
Nehmen wir das Beispiel eines hochmotivierten, intelligenten, Berufsanfängers. Sein Ziel muß es sein, in der Hierarchie des Systems möglichst ohne Umwege an die Spitze zu gelangen. Der bis auf wenige Ausnahmen einzige Weg hierzu führt über eine Karriere an einer Universitätsklinik, da Chefarztpositionen in der Regel von oben nach unten besetzt werden. Das heißt Chef am Kreiskrankenhaus wird nur der Oberarzt aus dem Lehrkrankenhaus xy, Chef des Lehrkrankenhauses wird nur der Oberarzt der Universitätsklinik xy und Chef der Universitätsklinik wird nur der Oberarzt (oder Chef) einer anderen Universitätsklinik.
In unseren Fall wird der junge Kollege also danach streben, als Assistenzarzt an einer Universitätsklinik zu beginnen, da er sich im hier vom Anfang an die besten Chancen eröffnen. Nach dem Abitur mit 19 Jahren, der Bundeswehr oder einen sozialen Jahr mit 20, dem Studium dann mit 26 bewirbt er sich also im Alter von 25-27 Jahren zum ersten Mal auf eine bezahlte Position.
Positionen an Universitätskliniken sind rar. Wer hat nun hier die besten Chancen? Der bestens ausgebildete mit besten Noten? Der Auslandserfahrene mit zusätzlichen Laborspezialkenntnissen? Der sozial engagierte mit Doppelkarriere in Beruf und Umfeld? Na, ja vielleicht. Kommt auf die Bewerberlage an. In der Regel jedoch der, der dem einstellenden Chef oder Leitenden Oberarzt an meisten Vorteile bringt. Dies ist also typischerweise eine Absolvent, der bereits während des Studiums durch Praktika (Famulaturen) in die Klinik eingearbeitet wurde, der im letzten Abschnitt seines Studiums, seines Praktischen Jahres (PJ) sich als integrationsfähig und fleißig erwiesen hatte, und nach Möglichkeit sogar im Rahmen seiner Promotion für den einen oder anderen in der Klinik Hilfsarbeiten in der Forschung erledigte. Als dergestalt bewährter Mitarbeiter ist auch zukünftig das reibungslose funktionieren des Apparates sichergestellt und eventuelle Unsicherheiten durch die Neueinstellung eines unbekannten Gesichtes werden von vornherein vermieden. Ungünstigerweise hat es sich mittlerweile unter den besten der Jahrgänge herumgesprochen, daß die Medizinerkarriere derzeit zwar viel Arbeit aber wenig Brot bringt, so daß von den Stapeln an Bewerbungen, die noch vor einigen Jahren wöchentlich in den Sekretariaten der Kliniken eingingen nur kümmerliche Reste, der oft nicht gerade besten Absolventen, übrig blieben. Aktuell ist die Ausbildung in anderen Ländern, zum Beispiel Großbritannien, nicht nur aufgrund der besseren Ausbildungsbedingungen in den eher teamorientierten Abteilungen sondern auch bei einen mehrfachen des hiesigen Gehaltes wesentlich attraktiver. Nehmen wir an, der motivierte Jungakademiker läßt sich hiervon nicht schrecken und bewirbt sich an mehreren Universitätskliniken. In der Regel erfolgt dies blind, da Angebote für Assistenzärzte an Universitätskliniken nicht ausgeschrieben werden. Vor Jahren erfolgte dieses vielleicht einmal für Stellen in der Psychiatrie, die attraktiven Fächer suchte man jedoch vergebens in den einschlägigen Blättern. Das hat sich zwar aktuell geändert, doch ist davon auszugehen, daß bei den inserierten Stellen in an sich attraktiven Fächern irgendwo ein Haken besteht. Eventuell handelt es sich um eine auf ein Jahr befristete Schwangerschaftsvertretung, eine Position in der Dokumentation oder eine Stelle in den Tiefen der neuen Bundesländer.
Mit Glück wird der hoffnungsfrohe Bewerber dann zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Es gibt Unmengen an Berichten über den Ablauf solcher Gespräche. Von Vorstellungen auf dem Flur zwischen zwei Operationen des Entscheidungsträgers, von Bewerbern die einen ganzen Tag auf das Erscheinen des Chefs warten mußten, von Einzelgesprächen, von Vorstellungen vor der versammelten Mannschaft, in seltenen Fällen auch von richtiggehenden Auswahlsitzungen. Natürlich käme nie ein Bewerber auf die Idee die Erstattung irgendwelcher Auslagen wie Reisekosten etc. zu erwarten. Dies ist nicht üblich. Er kann schon froh sein, wenigstens seine Unterlagen im Falle der Ablehnung zurück zu erhalten oder zumindest eine Mitteilung der Ablehnung, von einer Begründung ganz zu schweigen.
Nehmen wir weiter an, er hat es tatsächlich geschafft eine Stelle angeboten zu bekommen. In diesen Fall wird die wichtigste Frage erst einmal sein, zu klären, ob es sich um eine bezahlte Position handelt, es gab zu Zeiten der „Ärzteschwemme“ in den 80er Jahren durchaus Angebote der Gastarzttätigkeit ohne Bezahlung. Da die Ärztekammern dieses natürlich strikt ablehnten, mußte der Kollege also auch noch darauf achten, daß niemand davon erfuhr, daß er kostenlos arbeitete, da er sonst seine Weiterbildung nicht angerechnet bekommen hätte. In dieser Phase fiel auch die Einführung des AiP (Arzt im Praktikum), der erst 2004 abgeschafft wurde. Man hatte damals kurz gesagt die Gunst der Stunde mit einer hohen Anzahl von Assistenzarztbewerbern genutzt und eine volle Stelle in mehrere Stellen geteilt. Diese mit etwa 900 € bezahlte 18-monatige Phase des frischgebackenen Arztes war letztlich die Verlängerung des Studiums in pekuniärer Hinsicht bei voller Arbeitszeit und Verantwortung (juristisch natürlich umschrieben) eines Assistenzarztes. Ein erstes Gehalt im wirklichen Sinne des Wortes bezog man also mit etwa 27-28 Jahren. Dieser Unfug wurde offiziell durch die Proteste der organisierten Kollegen mit einer Neustrukturierung des Studiums und der Ausbildung beendet, de facto jedoch durch die Probleme geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren gestoppt.
Unser junger Kollege erhält also einen ersten Arbeitsvertrag. Üblicherweise ist dieser immer befristet, es gibt Kollegen, die ihren ersten unbefristeten Vertrag beim Übergang in die Chefarztposition erhalten haben. Seitens der Befristung existieren eine Reihe von Modellen, beginnend von 3 Monaten bis hin zu max. 10 Jahren. In der Regel wird an seriösen Häusern jedoch ein 4 oder 5-Jahresvertrag vergeben. Dieser wird dann zumeist um max. 2-4 Jahre verlängert. Ziel ist es letztlich den Abschluss als Facharzt zu erwerben. Nun wird in vielen Fächern eine Mischung verschiedener Tätigkeiten bis zum Facharzt gefordert. Der Unfallchirurg und Orthopäde muß z.B. einen Teil seiner Ausbildung im Gegenfach, also der Orthopädie oder der Unfallchirurgie verbringen, Zeiten auf Intensivstationen nachweisen. Der Radiologe muß Zeiten in einen zweiten Fach, der Allgemeinarzt in mehreren Fächern nachweisen. Nun sollte man meinen, diese wäre in irgendeiner Weise an den großen Häusern durch eine Rotation sichergestellt. Weit gefehlt! Die meisten Abteilungen oder Kliniken in den großen Universitätskliniken sind weitgehend autistisch strukturiert. Seitens der Klinikchefs besteht kein großes Interesse an einer Rotation „ihrer“ Assistenten, diese sollten das bitte selbstverantwortlich in die Hand nehmen. Das bedeutet im Einzelfall die Kündigung und Neubewerbung mit allen Nachteilen für den jungen Kollegen. Ist es zum Beispiel offensichtlich, daß der hoffnungsvolle Jungkollege beabsichtigt lediglich ein oder zwei Jahre im „Fremdfach“ zu bleiben, da er ja eigentlich etwas anderes werden möchte, so wird er entweder erst gar nicht eingestellt, oder zu niederen Tätigkeiten verurteilt. Die Chancen der langfristig bleibenden Kollegen (z.B. Vertiefung der operativen Fertigkeiten) werden ihn erst gar nicht eröffnet.
Hier hilft nur eines: Lügen, daß sich die Balken biegen! Natürlich möchte ich Intensivmediziner werden! Etwas schöneres als die Kardiologie (oder jedes beliebige andere gesuchte Fach) kann ich mir gar nicht vorstellen! Jedenfalls sich erst einmal Zutritt zu verschaffen.
Problematisch wird dann allerdings die weitere Bewerbung auf das zweite Fach. Diese muß unter allen Umständen konspirativ geschehen. Erfährt der aktuelle Chef auch nur ein Gerücht, ist es sofort aus mit der weiteren Karriere am Haus. Das bedeutet nicht nur bei den Bewerbungen streng auf Vertraulichkeit zu verweisen (das Problem ist natürlich ubiquitär bekannt) sondern diese auch konspirativ zu organisieren. Hierzu bieten sich immer Urlaubsreisen an. Man legt den Vorstellungstermin am Anfang oder Ende einer solchen und ist damit gesichert. Skiurlaub in den Alpen mit Vorstellung in München, Segelferien mit Abstecher nach Hamburg etc. Häufigere kurze Abwesendheiten über jeweils ein oder zwei Tage sind stets verdächtig und sollten unterbleiben. Über die außerhalb der Medizin praktizierte Methode in regelmäßigen Abständen Bewerbungen abzusenden um dann mit guten Angeboten eine bessere Bezahlung auszuhandeln, können Ärzte nur lachen.
Überhaupt die Bezahlung. Um hier jegliche Illusionen gleich zu klären, Universitätskliniken bezahlen nach Regeln des öffentlichen Dienstes, zumeist schlechter als städtische (kommunale) Häuser, aber zum Teil noch besser als private Klinken ihre Berufsanfänger entlohnen. Typischerweise erhält der Assistenzarzt ein BAT IIa Gehalt. Dies entspricht derzeit ca. 3.000 € je nach Ortszuschlag. Hinzu kommt noch eine besondere Vergütung für Überstunden bzw. Dienste, diese konnte früher durchaus das Gehalt verdoppeln.
Üblicherweise arbeitet der Assistenzarzt an der Universitätsklinik mehr als 40 Stunden/Woche. Es ist nicht ganz so schlimm wie in den USA, wo vor kurzem die Reduktion der regulären Arbeitszeit der Assistenzärzte von 120 auf 80 Stunden wöchentlich massive Proteste der Arbeitgeber hinsichtlich Ausbildung der Jungkollegen und Bewältigung der Arbeit hervorrief, aber es ist zum Teil nicht tief greifend anders. Neben dem Job am Patienten müssen Dokumentationsaufgaben (hierzu später) aber vor allem auch Lehr- und Forschungsaufgaben wahrgenommen werden. Wer Karriere machen möchte, muß forschen und publizieren. Hierzu wird ihm in der Regel kein zeitlicher Freiraum während seines normalen Arbeitstages eingeräumt. Die Gewährung oder Nichtgewährung solcher freier Forschungszeiten ist ein beliebte Mittel der Klinikdirektoren zur gezielten Förderung genehmer Mitarbeiter oder Disziplinierung anderer. Forschung an den Universitätskliniken wird nach Dienst, nachts oder am Wochenende erledigt. Diese Zeiten dürfen natürlich regulär nicht als Überstunden notiert werden, dienen sie doch der Gestaltung der Freizeit der Mitarbeiter und ihren persönlichen Fortkommen. Noch dazu würden diese einmal notiert, mit den Arbeitszeitgesetzen kollidieren. Trotzdem addieren sich schon alleine die Zeiten in der Patientenversorgung, Dokumentation, Lehre und die tagsüber vollbrachte Wissenschaft zu beachtlichen Wochenarbeitszeiten. Es war (ist hoffentlich derzeit nicht mehr) üblich, nach einen normalen Arbeitstag den Nachtdienst zu absolvieren und am nächsten Tag weiterzuarbeiten. Neben den unschönen Effekten auf Konzentrationsvermögen und Urteilssicherheit ergab sich damit aber auch ein erheblicher pekuniärer Vorteil, soweit diese Überstunden ausbezahlt wurden. Die Ärztegewerkschaft (Marburger Bund) war sich deshalb lange nicht sicher, wie sie sich verhalten sollte. Einerseits war es sinnvoll die Abkehr von der 60-80 Stunden Woche für die tatsächlich am Rande des physischen Limits handelnden Ärzte zu fordern, andererseits drohten ihren Mitgliedern damit handfeste finanzielle Nachteile. Nach Jahren des Lavierens um dieses Problem, entschied letztlich die Europäische Gesetzgebung nicht nur mit Festlegung von Obergrenzen für Arbeitszeiten, sondern auch mit der Anerkennung von Bereitschaftsdiensten (im Krankenhaus verbracht) als Dienstzeiten.
Noch heute ist im Rahmen von Übergangsregelungen oder bewussten Nichthinsehen der Aufsichtsbehörden (letztlich untersteht das Gewerbeaufsichtsamt der gleichen Landesregierung, wie dies auch der Klinikbetrieb tut) keine durchgreifende Regelung getroffen.
Das heißt, es wird nach wie vor erwartet, daß Ärzte in die Klinik fahren, dort in Dauerbereitschaft stehen aber nur einen prozentualen Anteil dieser an ihren Arbeitsplatz verbrachten Zeit bezahlt bekommen. „Sie schlafen ja schließlich auch“, ist der einzige Kommentar. Könnten sie sich das von einem beliebigen Arbeitnehmer in anderer Position vorstellen?
In summa ist es heute üblich, daß der Assistenzarzt nach einen harten Arbeitstag in der Klinik bleibt, dort den nächtlichen Bereitschaftsdienst versieht und nach 24h Dienst am Folgetag nach Hause darf. Damit ist er zwar immer noch zu lange im Dienst, aber die Zahl der Überstunden ist schon deutlich reduziert. Zudem gibt es die Vorschrift des Freizeitausgleiches, die die Auszahlung vieler Überstunden vermeidet. Ob dieser dann genommen werden kann oder nicht (ich kenne Kollegen, die sind tatsächlich mit ihren Stundenkonto Jahre früher in Rente gegangen) steht auf einen anderen Blatt, zumindest die Zahl der bezahlten Überstunden wurde reduziert. Die Höhe dieser Anzahl, ob nun 20 im Monat oder 40 oder 60 oder... ist im Übrigen nie festgeschrieben sondern meist der politischen Situation innerhalb des Klinikums überlassen. Sie wird im Jahresbudget der Abteilung berücksichtigt und ist damit verhandelbar. Kollegen der Klinik A können trotz gleicher Arbeitszeiten weniger als Kollegen der Klinik B erhalten, wenn deren Chef besser verhandelt oder sich in prononcierter Position innerhalb des Klinikums befindet. Ein Chef der gleichzeitig Klinikdirektor des Gesamthauses oder Dekan der Fakultät ist, hat natürlich weitaus mehr Einflussmöglichkeiten als ein einfacher Abteilungsleiter.
In der Konsequenz werden sich zu den vorab genannten 3.000 € noch etwa 600 € addieren und damit typischerweise beim ledigen kinderlosen Assistenzarzt nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben 2.000 € netto verbleiben. Nach 4-6 Jahren Dienst sind dies beim dann verheirateten Kollegen ohne Kindergeld ca. 5.000 € brutto und etwa 3.000 € netto.
Nehmen wir das Beispiel eines hochmotivierten, intelligenten, Berufsanfängers. Sein Ziel muß es sein, in der Hierarchie des Systems möglichst ohne Umwege an die Spitze zu gelangen. Der bis auf wenige Ausnahmen einzige Weg hierzu führt über eine Karriere an einer Universitätsklinik, da Chefarztpositionen in der Regel von oben nach unten besetzt werden. Das heißt Chef am Kreiskrankenhaus wird nur der Oberarzt aus dem Lehrkrankenhaus xy, Chef des Lehrkrankenhauses wird nur der Oberarzt der Universitätsklinik xy und Chef der Universitätsklinik wird nur der Oberarzt (oder Chef) einer anderen Universitätsklinik.
In unseren Fall wird der junge Kollege also danach streben, als Assistenzarzt an einer Universitätsklinik zu beginnen, da er sich im hier vom Anfang an die besten Chancen eröffnen. Nach dem Abitur mit 19 Jahren, der Bundeswehr oder einen sozialen Jahr mit 20, dem Studium dann mit 26 bewirbt er sich also im Alter von 25-27 Jahren zum ersten Mal auf eine bezahlte Position.
Positionen an Universitätskliniken sind rar. Wer hat nun hier die besten Chancen? Der bestens ausgebildete mit besten Noten? Der Auslandserfahrene mit zusätzlichen Laborspezialkenntnissen? Der sozial engagierte mit Doppelkarriere in Beruf und Umfeld? Na, ja vielleicht. Kommt auf die Bewerberlage an. In der Regel jedoch der, der dem einstellenden Chef oder Leitenden Oberarzt an meisten Vorteile bringt. Dies ist also typischerweise eine Absolvent, der bereits während des Studiums durch Praktika (Famulaturen) in die Klinik eingearbeitet wurde, der im letzten Abschnitt seines Studiums, seines Praktischen Jahres (PJ) sich als integrationsfähig und fleißig erwiesen hatte, und nach Möglichkeit sogar im Rahmen seiner Promotion für den einen oder anderen in der Klinik Hilfsarbeiten in der Forschung erledigte. Als dergestalt bewährter Mitarbeiter ist auch zukünftig das reibungslose funktionieren des Apparates sichergestellt und eventuelle Unsicherheiten durch die Neueinstellung eines unbekannten Gesichtes werden von vornherein vermieden. Ungünstigerweise hat es sich mittlerweile unter den besten der Jahrgänge herumgesprochen, daß die Medizinerkarriere derzeit zwar viel Arbeit aber wenig Brot bringt, so daß von den Stapeln an Bewerbungen, die noch vor einigen Jahren wöchentlich in den Sekretariaten der Kliniken eingingen nur kümmerliche Reste, der oft nicht gerade besten Absolventen, übrig blieben. Aktuell ist die Ausbildung in anderen Ländern, zum Beispiel Großbritannien, nicht nur aufgrund der besseren Ausbildungsbedingungen in den eher teamorientierten Abteilungen sondern auch bei einen mehrfachen des hiesigen Gehaltes wesentlich attraktiver. Nehmen wir an, der motivierte Jungakademiker läßt sich hiervon nicht schrecken und bewirbt sich an mehreren Universitätskliniken. In der Regel erfolgt dies blind, da Angebote für Assistenzärzte an Universitätskliniken nicht ausgeschrieben werden. Vor Jahren erfolgte dieses vielleicht einmal für Stellen in der Psychiatrie, die attraktiven Fächer suchte man jedoch vergebens in den einschlägigen Blättern. Das hat sich zwar aktuell geändert, doch ist davon auszugehen, daß bei den inserierten Stellen in an sich attraktiven Fächern irgendwo ein Haken besteht. Eventuell handelt es sich um eine auf ein Jahr befristete Schwangerschaftsvertretung, eine Position in der Dokumentation oder eine Stelle in den Tiefen der neuen Bundesländer.
Mit Glück wird der hoffnungsfrohe Bewerber dann zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Es gibt Unmengen an Berichten über den Ablauf solcher Gespräche. Von Vorstellungen auf dem Flur zwischen zwei Operationen des Entscheidungsträgers, von Bewerbern die einen ganzen Tag auf das Erscheinen des Chefs warten mußten, von Einzelgesprächen, von Vorstellungen vor der versammelten Mannschaft, in seltenen Fällen auch von richtiggehenden Auswahlsitzungen. Natürlich käme nie ein Bewerber auf die Idee die Erstattung irgendwelcher Auslagen wie Reisekosten etc. zu erwarten. Dies ist nicht üblich. Er kann schon froh sein, wenigstens seine Unterlagen im Falle der Ablehnung zurück zu erhalten oder zumindest eine Mitteilung der Ablehnung, von einer Begründung ganz zu schweigen.
Nehmen wir weiter an, er hat es tatsächlich geschafft eine Stelle angeboten zu bekommen. In diesen Fall wird die wichtigste Frage erst einmal sein, zu klären, ob es sich um eine bezahlte Position handelt, es gab zu Zeiten der „Ärzteschwemme“ in den 80er Jahren durchaus Angebote der Gastarzttätigkeit ohne Bezahlung. Da die Ärztekammern dieses natürlich strikt ablehnten, mußte der Kollege also auch noch darauf achten, daß niemand davon erfuhr, daß er kostenlos arbeitete, da er sonst seine Weiterbildung nicht angerechnet bekommen hätte. In dieser Phase fiel auch die Einführung des AiP (Arzt im Praktikum), der erst 2004 abgeschafft wurde. Man hatte damals kurz gesagt die Gunst der Stunde mit einer hohen Anzahl von Assistenzarztbewerbern genutzt und eine volle Stelle in mehrere Stellen geteilt. Diese mit etwa 900 € bezahlte 18-monatige Phase des frischgebackenen Arztes war letztlich die Verlängerung des Studiums in pekuniärer Hinsicht bei voller Arbeitszeit und Verantwortung (juristisch natürlich umschrieben) eines Assistenzarztes. Ein erstes Gehalt im wirklichen Sinne des Wortes bezog man also mit etwa 27-28 Jahren. Dieser Unfug wurde offiziell durch die Proteste der organisierten Kollegen mit einer Neustrukturierung des Studiums und der Ausbildung beendet, de facto jedoch durch die Probleme geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren gestoppt.
Unser junger Kollege erhält also einen ersten Arbeitsvertrag. Üblicherweise ist dieser immer befristet, es gibt Kollegen, die ihren ersten unbefristeten Vertrag beim Übergang in die Chefarztposition erhalten haben. Seitens der Befristung existieren eine Reihe von Modellen, beginnend von 3 Monaten bis hin zu max. 10 Jahren. In der Regel wird an seriösen Häusern jedoch ein 4 oder 5-Jahresvertrag vergeben. Dieser wird dann zumeist um max. 2-4 Jahre verlängert. Ziel ist es letztlich den Abschluss als Facharzt zu erwerben. Nun wird in vielen Fächern eine Mischung verschiedener Tätigkeiten bis zum Facharzt gefordert. Der Unfallchirurg und Orthopäde muß z.B. einen Teil seiner Ausbildung im Gegenfach, also der Orthopädie oder der Unfallchirurgie verbringen, Zeiten auf Intensivstationen nachweisen. Der Radiologe muß Zeiten in einen zweiten Fach, der Allgemeinarzt in mehreren Fächern nachweisen. Nun sollte man meinen, diese wäre in irgendeiner Weise an den großen Häusern durch eine Rotation sichergestellt. Weit gefehlt! Die meisten Abteilungen oder Kliniken in den großen Universitätskliniken sind weitgehend autistisch strukturiert. Seitens der Klinikchefs besteht kein großes Interesse an einer Rotation „ihrer“ Assistenten, diese sollten das bitte selbstverantwortlich in die Hand nehmen. Das bedeutet im Einzelfall die Kündigung und Neubewerbung mit allen Nachteilen für den jungen Kollegen. Ist es zum Beispiel offensichtlich, daß der hoffnungsvolle Jungkollege beabsichtigt lediglich ein oder zwei Jahre im „Fremdfach“ zu bleiben, da er ja eigentlich etwas anderes werden möchte, so wird er entweder erst gar nicht eingestellt, oder zu niederen Tätigkeiten verurteilt. Die Chancen der langfristig bleibenden Kollegen (z.B. Vertiefung der operativen Fertigkeiten) werden ihn erst gar nicht eröffnet.
Hier hilft nur eines: Lügen, daß sich die Balken biegen! Natürlich möchte ich Intensivmediziner werden! Etwas schöneres als die Kardiologie (oder jedes beliebige andere gesuchte Fach) kann ich mir gar nicht vorstellen! Jedenfalls sich erst einmal Zutritt zu verschaffen.
Problematisch wird dann allerdings die weitere Bewerbung auf das zweite Fach. Diese muß unter allen Umständen konspirativ geschehen. Erfährt der aktuelle Chef auch nur ein Gerücht, ist es sofort aus mit der weiteren Karriere am Haus. Das bedeutet nicht nur bei den Bewerbungen streng auf Vertraulichkeit zu verweisen (das Problem ist natürlich ubiquitär bekannt) sondern diese auch konspirativ zu organisieren. Hierzu bieten sich immer Urlaubsreisen an. Man legt den Vorstellungstermin am Anfang oder Ende einer solchen und ist damit gesichert. Skiurlaub in den Alpen mit Vorstellung in München, Segelferien mit Abstecher nach Hamburg etc. Häufigere kurze Abwesendheiten über jeweils ein oder zwei Tage sind stets verdächtig und sollten unterbleiben. Über die außerhalb der Medizin praktizierte Methode in regelmäßigen Abständen Bewerbungen abzusenden um dann mit guten Angeboten eine bessere Bezahlung auszuhandeln, können Ärzte nur lachen.
Überhaupt die Bezahlung. Um hier jegliche Illusionen gleich zu klären, Universitätskliniken bezahlen nach Regeln des öffentlichen Dienstes, zumeist schlechter als städtische (kommunale) Häuser, aber zum Teil noch besser als private Klinken ihre Berufsanfänger entlohnen. Typischerweise erhält der Assistenzarzt ein BAT IIa Gehalt. Dies entspricht derzeit ca. 3.000 € je nach Ortszuschlag. Hinzu kommt noch eine besondere Vergütung für Überstunden bzw. Dienste, diese konnte früher durchaus das Gehalt verdoppeln.
Üblicherweise arbeitet der Assistenzarzt an der Universitätsklinik mehr als 40 Stunden/Woche. Es ist nicht ganz so schlimm wie in den USA, wo vor kurzem die Reduktion der regulären Arbeitszeit der Assistenzärzte von 120 auf 80 Stunden wöchentlich massive Proteste der Arbeitgeber hinsichtlich Ausbildung der Jungkollegen und Bewältigung der Arbeit hervorrief, aber es ist zum Teil nicht tief greifend anders. Neben dem Job am Patienten müssen Dokumentationsaufgaben (hierzu später) aber vor allem auch Lehr- und Forschungsaufgaben wahrgenommen werden. Wer Karriere machen möchte, muß forschen und publizieren. Hierzu wird ihm in der Regel kein zeitlicher Freiraum während seines normalen Arbeitstages eingeräumt. Die Gewährung oder Nichtgewährung solcher freier Forschungszeiten ist ein beliebte Mittel der Klinikdirektoren zur gezielten Förderung genehmer Mitarbeiter oder Disziplinierung anderer. Forschung an den Universitätskliniken wird nach Dienst, nachts oder am Wochenende erledigt. Diese Zeiten dürfen natürlich regulär nicht als Überstunden notiert werden, dienen sie doch der Gestaltung der Freizeit der Mitarbeiter und ihren persönlichen Fortkommen. Noch dazu würden diese einmal notiert, mit den Arbeitszeitgesetzen kollidieren. Trotzdem addieren sich schon alleine die Zeiten in der Patientenversorgung, Dokumentation, Lehre und die tagsüber vollbrachte Wissenschaft zu beachtlichen Wochenarbeitszeiten. Es war (ist hoffentlich derzeit nicht mehr) üblich, nach einen normalen Arbeitstag den Nachtdienst zu absolvieren und am nächsten Tag weiterzuarbeiten. Neben den unschönen Effekten auf Konzentrationsvermögen und Urteilssicherheit ergab sich damit aber auch ein erheblicher pekuniärer Vorteil, soweit diese Überstunden ausbezahlt wurden. Die Ärztegewerkschaft (Marburger Bund) war sich deshalb lange nicht sicher, wie sie sich verhalten sollte. Einerseits war es sinnvoll die Abkehr von der 60-80 Stunden Woche für die tatsächlich am Rande des physischen Limits handelnden Ärzte zu fordern, andererseits drohten ihren Mitgliedern damit handfeste finanzielle Nachteile. Nach Jahren des Lavierens um dieses Problem, entschied letztlich die Europäische Gesetzgebung nicht nur mit Festlegung von Obergrenzen für Arbeitszeiten, sondern auch mit der Anerkennung von Bereitschaftsdiensten (im Krankenhaus verbracht) als Dienstzeiten.
Noch heute ist im Rahmen von Übergangsregelungen oder bewussten Nichthinsehen der Aufsichtsbehörden (letztlich untersteht das Gewerbeaufsichtsamt der gleichen Landesregierung, wie dies auch der Klinikbetrieb tut) keine durchgreifende Regelung getroffen.
Das heißt, es wird nach wie vor erwartet, daß Ärzte in die Klinik fahren, dort in Dauerbereitschaft stehen aber nur einen prozentualen Anteil dieser an ihren Arbeitsplatz verbrachten Zeit bezahlt bekommen. „Sie schlafen ja schließlich auch“, ist der einzige Kommentar. Könnten sie sich das von einem beliebigen Arbeitnehmer in anderer Position vorstellen?
In summa ist es heute üblich, daß der Assistenzarzt nach einen harten Arbeitstag in der Klinik bleibt, dort den nächtlichen Bereitschaftsdienst versieht und nach 24h Dienst am Folgetag nach Hause darf. Damit ist er zwar immer noch zu lange im Dienst, aber die Zahl der Überstunden ist schon deutlich reduziert. Zudem gibt es die Vorschrift des Freizeitausgleiches, die die Auszahlung vieler Überstunden vermeidet. Ob dieser dann genommen werden kann oder nicht (ich kenne Kollegen, die sind tatsächlich mit ihren Stundenkonto Jahre früher in Rente gegangen) steht auf einen anderen Blatt, zumindest die Zahl der bezahlten Überstunden wurde reduziert. Die Höhe dieser Anzahl, ob nun 20 im Monat oder 40 oder 60 oder... ist im Übrigen nie festgeschrieben sondern meist der politischen Situation innerhalb des Klinikums überlassen. Sie wird im Jahresbudget der Abteilung berücksichtigt und ist damit verhandelbar. Kollegen der Klinik A können trotz gleicher Arbeitszeiten weniger als Kollegen der Klinik B erhalten, wenn deren Chef besser verhandelt oder sich in prononcierter Position innerhalb des Klinikums befindet. Ein Chef der gleichzeitig Klinikdirektor des Gesamthauses oder Dekan der Fakultät ist, hat natürlich weitaus mehr Einflussmöglichkeiten als ein einfacher Abteilungsleiter.
In der Konsequenz werden sich zu den vorab genannten 3.000 € noch etwa 600 € addieren und damit typischerweise beim ledigen kinderlosen Assistenzarzt nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben 2.000 € netto verbleiben. Nach 4-6 Jahren Dienst sind dies beim dann verheirateten Kollegen ohne Kindergeld ca. 5.000 € brutto und etwa 3.000 € netto.
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